Honda NC700 Gelungene Mischung

Motorrad oder Roller? Wer die Frage für sich nicht endgültig beantworten kann, der sollte einen Blick auf die NC700-Reihe von Honda werfen. Der Versuch, es allen recht zu machen, führt meist zu absurden Lösungen, aber hier ist Honda ein Entwurf gelungen, den man sich näher ansehen sollte, wenn man Motorrad fahren will, aber den Bedienkomfort eines Großrollers bisher mit einem gewissen Neid gesehen hat. Dass der Ansatz gelungen ist, liegt nicht zuletzt daran, dass die Ingenieure in Japan nun nicht etwa Rollertechnik in eine Motorradverpackung gesteckt haben, wie manche italienischen Ansätze es tun, sondern einige Roller-Eigenschaften in ein Motorradkonzept übersetzt haben.
Da ist als erstes das große Helmfach unter der Tankattrappe, der Tank selbst wandert weiter unter den Fahrersitz und bringt so auch noch einen niedrigen Schwerpunkt. Und zweitens das Doppelkupplungsgetriebe, das in der Mittelklasse für vollkommen neuen Antriebskomfort sorgt. Greift man am Anfang noch automatisch beim Anfahren mit der linken Hand ins Leere, der Kupplungshebel fehlt halt, so freut man sich sehr schnell über die perfekten Gangwechsel ohne Zugkraftunterbrechung, die einfache Anfahrprozedur, die entfallende Suche nach dem Leerlauf an der Ampel und die automatisch richtige Wahl des Ganges. Die NC700 bietet viel Fahrspass ohne Anstrengung. Mit dazu bei trägt auch der neue 700ccm-Paralleltwin. Er verwöhnt durch einen langen Hub und eine großen Schwungmasse an der Kurbelwelle mit guter Laufruhe und viel Durchzug. Bohrung und Hub entsprechen dem des Jazz-Motors aus der Automobilsparte, da hat es möglicherweise Synergieeffekte gegeben. 62 Nm bei 4750U/min sind ein Wort und ermöglichen entspanntes Fahren mit niedrigen Drehzahlen. In der Stadt und auf der Landstraße sind das Eigenschaften, die mehr zählen als Höchstleistung und Hochdrehzahl. Dabei pendelt sich der Verbrauch irgendwo zwischen 3,7 und 4,5 Litern auf 100 km ein, bei ruhiger Fahrweise ist so auch in der Stadt ein Mittel unter 4 Litern möglich. Mit 52 PS kann man sehr zügig fahren. Eine auf 48 PS reduzierte Variante für die neuen Einsteigerregelungen ab 2013 ist auch im Angebot, und kaum langsamer. Bei der Leistung kommt das Fahrwerk nicht wirklich an seine Grenzen, von einer leichten Unruhe bei hohen Geschwindigkeiten einmal abgesehen. Sind die Grenzen des Fahrers erreicht, dann unterstützt ihn die serienmäßige CombinedABS-Bremse, die für eine ausgewogene Bremskraftverteilung auf Vorder- und Hinterrad sorgt.
Die Gesamtkonstruktion ist eine Fahrzeugplattform, eine Philosophie, die man aus dem Automobilbau schon seit Jahren kennt, und die dort genutzt wird, um mit einfachen Mitteln kostengünstige verschiedene Fahrzeugklassen auf eine gemeinsame Basis zu stellen. Genau so funktioniert das NC700-Konzept: Aubauend auf den gleichen Rahmen, den gleichen Motor und das gleiche Getriebe kann der Kunde zwischen drei Modellvarianten wählen, die sich optisch deutlich unterscheiden und dadurch sehr unterschiedliche Käuferschichten ansprechen. Die S-Variante , die X-Version und die Integra unterscheiden sich durch die Rädergröße, die Anbauteile und die Bodenfreiheit. X steht dabei für ein Crossover-Modell mit einem Hauch von Enduro und Abenteuer, die Integra zielt auf den Roller-Käufer und die S auf den sportlichen Fahrer. Alle Versionen sehen gut aus, und die Verarbeitung und das Material sind auf gewohntem Honda-Niveau, zu erstaunlich konkurrenzfähigen Preisen. Wer ein einfach zu bedienendes Motorrad mit hohem Spassfaktor sucht, sollte die NC700er in die engere Wahl ziehen.
Autor: Dieter Roßbach
Fotos: Dieter Roßbach
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