Auto Union Typ 52 „Schnellsportwagen“

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Imagined over 90 years ago, now brought to life: Audi Tradition presents the Auto Union Type 52 Schnellsportwagen at the Goodwood Festival of Speed 2024.

Die 1932 aus dem Zusammenschluss der Unternehmen Audi, DKW, Horch und Wanderer entstandene Auto Union AG engagiert sich früh im Motorsport, um ihr neues Firmensignet, die Vier Ringe, international bekannt zu machen. Ebenfalls 1932 werden die Regularien für die neue 750-kg-Formel veröffentlicht, die bei den Grand-Prix-Wettbewerben der Jahre 1934 bis 1936 gelten sollen. 1933 erteilt die Auto Union AG dem Stuttgarter Konstruktionsbüro von Ferdinand Porsche den Auftrag, einen Rennwagen gemäß dieser 750-kg-Formel zu entwickeln.

Die Arbeiten am Auto Union Typ A „Typ 22“ beginnen im März 1933 und bereits ein Jahr später fährt Hans Stuck auf der Berliner AVUS mit dem Wagen Weltrekord. Als die völlig neuartigen Rennwagen von Auto Union und Mercedes-Benz 1934 auch die Bühne der internationalen Rennsportszene betreten, entsteht der Mythos der Silberpfeile.

Während Mercedes-Benz Frontmotoren favorisiert, platziert die Auto Union das Aggregat bei ihren Rennwagen erstmals den Fahrer und die Auto Union gewinnt zahlreiche Bergmeisterschaften, drei deutsche Meisterschaften und 1936 die Europameisterschaft mit dem weiterentwickelten Auto Union Typ C.

Imagined over 90 years ago, now brought to life: Audi Tradition presents the Auto Union Type 52 Schnellsportwagen at the Goodwood Festival of Speed 2024.

Bislang nur wenig bekannt sind hingegen die Planungen für eine straßentaugliche Version des Mittelmotorboliden. In den Konzeptunterlagen findet sich für sie der Begriff „Schnellsportwagen“, unter dem das Automobil wohl vermarktet werden soll. Der Auto Union Typ 52, so der spätere Projektname, soll an Kunden verkauft und kann von diesen bei Fernfahrten-Wettbewerben wie etwa der Mille Miglia oder Sportwagen-Konkurrenzen eingesetzt werden. In Frage gekommen wären zum Beispiel die Langstreckenrennen von Spa-Francorchamps oder Le Mans.

Bereits Ende 1933 entstehen im Porsche Konstruktionsbüro erste Designskizzen, die im Verlauf des Jahres 1934 konkretere Formen annehmen. Die Projektverantwortlichen beschließen auch den Bau eines Versuchswagens, der allerdings nie realisiert wurde. Im Laufe des Jahres 1935 wird das Projekt eingestellt, in den Archiven von Audi und Porsche finden sich jedoch Hinweise: Das Chassis des Auto Union Typ 52 ist als Leiterrahmen mit Mittelmotor ausgeführt, mit er Antriebseinheit aus dem Auto Union Typ 22 als Antrieb. Die Verdichtung des 16-Zylindermotors ist jedoch reduziert, damit der Wagen normales Benzin tanken kann. Gleichzeitig ist die Übersetzung des Roots-Kompressors verringert. Der Motor im Auto Union Typ 52 soll aus 4,4 Litern Hubraum bei 3.650 U/min rund 200 PS schöpfen. Sein maximales Drehmoment von 4.450 cmkg (436 Nm) liegt bei moderaten 2.250 U/min an. Das ist im Vergleich zu den Grand-Prix-Boliden zwar deutlich weniger, dennoch zeigen die aus Berechnungen hervorgehenden Fahrleistungen von rund 200 km/h, dass der Schnellsportwagen zu seiner Zeit eines der stärksten Fahrzeuge mit Straßenzulassung gewesen wäre.

Anhand von noch vorhandenen Archivdokumenten, Plänen und Konstruktionszeichnungen hat Audi den Auto Union Typ 52 von sen englischen Spezialisten Crosthwaite & Gardiner aufbauen lassen. Alle Bauteile sind „custom made“ und in Handarbeit angefertigt.

Mit über fünf Metern Länge ist der Auto Union Typ 52 eine imposante Erscheinung: Die lang gestreckte Silhouette lässt erkennen, dass der Wagen auf bestmögliche Aerodynamik und maximale Performance ausgelegt ist. Konzeptbedingt ist er, mit einemDach über dem Kopf, Scheinwerfern und Platz fürs Gepäck, alltagstauglicher ausgelegt. Zudem gibt es einen Stauraum für die doppelte Ersatzbereifung.

Imagined over 90 years ago, now brought to life: Audi Tradition presents the Auto Union Type 52 Schnellsportwagen at the Goodwood Festival of Speed 2024. Close-up: the 16-cylinder engine.

Komfort für die bis zu drei Passagiere ist Mangelware. Der Fahrer sitzt in der Mitte, die Beifahrersitze sind seitlich leicht versetzt. Mit drei Personen besetzt, 70 Kilogramm Gepäck und 150 Kilogramm Betriebsmitteln weist das technische Datenblatt ein Gesamtgewicht von 1.750 Kilogramm aus, das Leergewicht soll 1.300 Kilogramm betragen. Stammen das Antriebsaggregat und das Getriebe in Verbindung mit der offenen 5-Gang-Schaltkulisse aus dem Grand-Prix-Rennwagen, setzen Federung und Dämpfung auf andere technische Lösungen. Statt einer Querblattfeder in Kombination mit Reibungsdämpfern wie beim Auto Union Typ 22 kommen beim Typ 52 an der Hinterachse längs angeordnete Drehstabfedern in Verbindung mit hydraulischen Dämpfern zum Einsatz. Der 110 Liter-Tank wandert unter die Sitze. Verzögert wird beim Auto Union Typ 52 wie beim Typ 22 mithilfe von Trommelbremsen an allen vier Rädern, ebenso sind Drahtspeichenräder vorgesehen.

In Bezug auf den Auto Union Typ 52 ist kein finaler Entwicklungsstand überliefert, ebenso wenig gibt es Bilder eines fertig gestellten Fahrzeugs. Im Zuge der Auflösung der Auto Union AG in der russischen Besatzungszone nach dem Zweiten Weltkrieg gehen nicht nur die historischen Grand-Prix-Rennfahrzeuge, sondern auch zahlreiche Akten und Fotos größtenteils verloren. Gesicherte Berichte von Zeitzeugen, die Rückschlüsse auf die finale Konfiguration – sofern es je eine gab – des geplanten Schnellsportwagens zulassen würden, existieren ebenfalls nicht. Dennoch sind anhand der vorhandenen Pläne die Entwicklungsrichtung und auch die Ziele, welche die Ingenieure damals verfolgen, gut nachvollziehbar.

Während der Aufbauphase mussten Entscheidungen zugunsten der ein oder anderen technischen Lösung getroffen werden. Auch in den 1930er Jahren hätten die Entwickler im Verlauf der Erprobung vermutlich noch das ein oder andere Detail technisch nachjustiert. Und so musste beispielsweise der Radstand des jetzt gebauten Auto Union Typ 52 länger als in den ursprünglichen Planungsunterlagen ausgelegt werden, weil das mit Komponenten wie etwa Vorderachsaufhängung, Aggregat, Lenkung oder Getriebe technisch nicht anders umsetzbar war. Die Innenausstattung orientiert sich an den Auto Union Grand-Prix-Rennwagen mit zeitgenössisch interpretierten Farben und Stoffen.“

Da es zur Außenlackierung keine Unterlagen gab, nahm man die der Rennwagen als Basis. Beim Motor gibt es eine Abweichung zur ursprünglichen Planung der Konstrukteure: Audi Tradition nutzt das 16-Zylinderaggregat des Auto Union Typ C, das zugunsten der Austauschbarkeit mit den Grand-Prix-Rennwagen für den Typ 52 nicht gedrosselt wurde. Betrieben wird der Motor deshalb mit einem speziellen Methanol-Gemisch. Basierend auf den überlieferten Informationen ist der Auto Union Typ 52 das Ergebnis einer maximalen Annäherung an den vor rund 90 Jahren erdachten Schnellsportwagen Auto Union Typ 52, den es so nie gegeben hat.

Fotoa Audi AG/Text Audi AG, rr