Acht Zylinder, zwei Liter Hubraum, rund 100 PS und bis zu 145 km/h schnell. Vor 100 Jahren Werte eines wahren Sportwagens für die Straße. Mit dem Type 30 stellt Bugatti 1922 ein Serienauto der Superlative vor.
Der Achtzylinder-Motor besteht aus zwei Vierzylinder-Blöcken, einem Gehäuse für die obenliegende Nockenwelle und einem fest mit dem Rahmen verbundenen einteiligen Kurbelgehäuse. Ein Jahr zuvor plante Ettore Bugatti noch mit einem drei Liter großen Achtzylindermotor, integrierte ihn in den Prototyp 28 von 1921. Doch nach einer Änderung des Grand-Prix-Reglements mit einer Hubraumbegrenzung auf zwei Liter konzipiert Ettore Bugatti den Motor neu.
Die Königswelle liegt an der Motorstirnseite und überträgt die Umdrehungen der Kurbelwelle an die Nockenwelle. Die koordiniert für einen schnellen Gaswechsel zwei hängende Einlass- und ein größeres Auslassventil, wie schon bei einem zuvor von Ettore Bugatti konzipierten Flugzeugmotor. Anfangs erhalten die acht Zündkerzen ihre Energie von einer Magnet-Doppelzündung, später von einer Batteriezündung. Zwei Zenith-Vergaser versorgen den Achtzylinder mit ausreichend Kraftstoff-Luft-Gemisch, die Auspuffkrümmer liegen in zwei Vierergruppen auf der linken Seite. Je nach Einsatz und Konfiguration leistet das Triebwerk zwischen 75 und 100 PS. Mit Geschwindigkeiten zwischen 120 bis 145 km/h zählt der Type 30 damit zu einem der schnellsten Serienautos seiner Zeit. Dabei schaltet der Pilot die vier Vorwärtsgänge und den Rückwärtsgang mit der rechten Hand.
Erstmals setzt Bugatti das neue Aggregat im Rennwagen Type 29 mit kurzem Radstand ein, wo es seine Leistung, Performance und Standfestigkeit bei mehreren Rennen beweisen kann. Ettore Bugatti achtet neben der Technik, Leistung und Qualität auch auf das Erscheinungsbild des Motors: Er hat ein kantiges, klar strukturiertes Layout. Die Achtzylinder-Triebwerke gleichen einem Design-Stück, einem mechanischen Kunstwerk – noch heute.
Mit der geschmiedeten Vorderachse des Type 22 kommen erstmals bei einem Bugatti-Serienfahrzeug vordere Bremsen hinzu – vor 100 Jahren bremsen Autos sonst nur über die Hinterachse.
Bei Bugatti sorgen gegossene Bremsschuhe mit schneckenförmigen Einschnitten, die direkt auf die hinteren Bremstrommeln aus Stahl wirken, für eine sichere Verzögerung. Erstmals arbeitet ein hydraulisches System an der Vorderachse, wird aber wegen Materialproblemen 1924 durch eines per Seilzug wieder ersetzt.
Den Komfort steigert Ettore Bugatti beim Type 30: Als Dämpfung gegen Stöße der meist schlechten Straßen dient ein Paket aus mehrschichtigem Leder. Auch für die Zuverlässigkeit lässt sich Ettore Bugatti beim Type 30 etwas Neues einfallen: Erstmals verwendet Bugatti eine neue Art der Schraubensicherung, erhält dafür ein Patent. Schrauben mit einer integrierten Unterlegscheibe und einer neuen Steigung lösen sich trotz Vibrationen oder Erschütterungen nicht mehr und halten fester als andere schraubbaren Verbindungen.
Zwischen 1922 und 1926 entstehen auf verschiedene Karosserieformen des Type 30, darunter sportlicher Tourer mit vier Sitzen sowie zweisitzige Coupés und Cabrios. Karosseriebauer fertigen individuelle Formen auf Basis des Type 30 an. Auch der Rennwagen Type 32 „Tank“ mit seiner strömungsgünstigen Karosserie und einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 160 km/h basiert auf dem Type 30.
Bis 1926 verkauft Bugatti rund 600 Fahrzeuge des Typs 30, bis er vom Type 38 abgelöst wird.
Bilder: Bugatti, Text: Rainer Roßbach